Der EuGH und Verbraucherschutz – Sachmangelvermutung des § 476 BGB

EuGH, Urteil vom 04.06.2015 – C-497/13

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein in Bezug auf die in § 476 BGB geregelte Beweislastumkehr im “Sechsmonats-Zeitraum” nach Übergabe der Kaufsache an den Verbraucher vermutlich wegweisendes Urteil gesprochen. So heißt es dort in Leitsatz 4 der Entscheidung:

  • Art. 5 III der Richtlinie 1999/44 ist dahin auszulegen, dass die Regel, wonach vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand, zur Anwendung gelangt, wenn der Verbraucher den Beweis erbringt, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist und dass die fragliche Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, dh sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Der Verbraucher muss weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist; …

Dieses Urteil wird weitreichende Folgen für die Rechtsprechung in Deutschland und die bisherige Auslegung des § 476 BGB haben. Die Auslegung der Gerichte wird deutlich verbraucherfreundlicher erfolgen müssen.

Bislang war die Rechtsprechung des BGH zur Vermutungswirkung strikt: Es könne nicht vermutet werden, dass ein nachweislich erst nach Gefahrenübergang aufgetretener Defekt der Kaufsache auf einen Grundmangel (“latenter Mangel”) beruhe. Der Käufer musste hiernach eine Ursachenkette vom “akuten Mangel” bis hin zum “latenten Mangel” (bei Gefahrenübergang) nachweisen. Dies war und ist in vielen Fällen schwierig.

Nunmehr gilt (nach EuGH): es wird vermutet, dass ein nachweislich erst nach Gefahrenübergang aufgetretener “akuter Mangel” auf einem bereits bei Gefahrenübergang vorhandenen “latenten Mangel” beruhe. Nunmehr soll der Verkäufer nachweisen müssen, dass der Ursprung des “akuten Mangels” nicht bereits bei Übergabe der Kaufsache “angelegt” war. Dies ist ebenfalls in vielen Fällen schwierig bis unmöglich.

Es wird in diesem Zusammenhang bereits von einer “Haltbarkeitsgarantie” für den Verbraucher im Sechsmonatszeitraum des § 476 BGB gesprochen.

Die Umsetzung der EuGH-Entscheidung durch die nationalen Gerichte darf mit Spannung verfolgt werden.